
In Europa denken wir sehr in den Dimensionen „richtig“ und „falsch“. Das hat mit unserer Geistesgeschichte zu tun. Ein großer Teil der Philosophie des Abendlandes beschäftigt sich mit der Suche nach „der Wahrheit“ und nach „dem wahren Wissen“.
Dabei vergessen wir immer wieder, dass auch Forschung und Wissenschaft nur die Momentaufnahme unseres momentanen, gesellschaftlichen Horizonts und der zur Verfügung stehenden Methoden sind. Und wir vergessen auch, dass diese Bereiche bestimmten Dogmen und vielen normativen Strukturen unterliegen, die Kreativität und Fortschritt ausbremsen können. Wir kennen nicht „die“ Wahrheit. Die Frage ist auch, ob so etwas wie „die“ Wahrheit überhaupt existiert.
Letztendlich lässt sich für alles schlüssige Argumente finden, für viele Kriege in den letzten Jahren wurden Argumente hervorgebracht, die offensichtlich Kongresse, Parteimitglieder und Regierungen überzeugt haben. Das bedeutet, dass wahrscheinlich nur unser Herz und unsere Intuition uns sagen können, was richtig oder falsch für uns ist. Wir sind sehr in Standards und Normen gefangen, die vorgeben, wo wir mit 20, 30, 40 oder 50 Jahren sein sollen und was wir bis dahin erreicht haben sollten. Damit sind auch oft Sätze verbunden, wie: „Also wenn Du bis 40 keine Karriere gemacht hast, dann ist es zu spät. Dann wird das nichts mehr.“ oder „Je älter Du wirst, desto schwieriger ist es einen Partner zu finden, du bist dann zu kompliziert geworden.“
Nicht nur, was welchem Alter entspricht, sondern auch der Weg und die Möglichkeit dorthin scheint vorgegeben zu sein. Mit diesem Denken versperren wir uns viele Wege im Leben. Es ist auch anstrengend an sich zu glauben und eigenen Möglichkeiten einen neuen Raum zu eröffnen, wenn das Außen uns diese Möglichkeiten nicht spiegelt.
Das braucht Kraft, allerdings benötigt es genau so viel Energie über verlorene Chancen und aufgegebene Träume deprimiert und unglücklich zu sein.
Wenn wir uns erfolgreiche, charismatische Menschen anschauen, dann beschreiten sie meist einen Lebensweg, der außerhalb der Norm verläuft. Im Nachhinein ergeben berufliche und persönliche Stationen immer Sinn. Vor allem, wenn wir uns darauf einlassen und uns einen Moment Ruhe gönnen. Manchmal sind wir so damit beschäftigt mit uns zu hadern, zu bereuen oder uns zu verurteilen, dass wir das Besondere an uns und an unserem Weg nicht erkennen.
Es existiert kein richtig oder falsch für den Lebensweg, es gibt nur den einen individuellen Weg. Und um es mit Peter Ustinov zu sagen: „Jeder kommt da an, wohin er auch auf anderem Wege gelangt wäre.“.
Das bedeutet, dass wir immer dort sind, wo wir in diesem Moment sein sollen. Und auch wenn wir Umwege oder scheinbare Irrwege gehen, so verbessern diese nur die Ortskenntnis über das Leben und über uns selbst.
Seien wir doch gut zu uns und geduldig in unserem Gehen, so dass wir dabei genügend Zeit haben nach rechts und links zu schauen und einen kleinen Umweg einzubauen. Dabei wird dann der Weg spannend und bunt, es zeigen sich sogar neue Wege auf und kreative Möglichkeiten. Die Angst allein hindert uns am Laufen, das Vertrauen jedoch schiebt uns an, leitet uns durchs Dickicht und zeigt uns neue Wege auf.
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.
(Franz Kafka)
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