Der erste Geruch von Herbst

Momentan verbringe ich Zeit bei meiner guten Freundin in Bonn und bin gestern mit Ihr durch die Stadt spaziert. Das war ein Feuerwerk für die Nase, aus dem Großstadtmoloch Berlin kommend. Hier ist der Rhein nahe und die Stadt klein, die Luft ist so frisch und viel sauberer. Als wir über einen Platz liefen hatte ich für eine Millisekunde den Geruch von Herbst in der Nase. Plötzlich blieb ich stehen und versuchte den Ursprung dieses Geruchs aufzuspüren. Meine Freundin lachte laut auf und sagte: Das machst Du ja auch, das muss ich meiner Tochter erzählen! Denn auch sie bleibt überall stehen, wenn sich wunderbare Gerüche den Weg zu ihr bahnen.
Sehr oft empfinde ich es als Last, diese Geruchsempfindlichkeit. Ein falsches Parfum oder alles Künstliche, von Red Bull bis Wunderbäume im Auto lösen Übelkeit bei mir aus und ich bin extrem irritiert.
Gleichzeitig bedeutet es im Frühling für mich ein Feuerwerk der Sinne. Selbst in der Großstadt Berlin bekomme ich auf dem Fahrrad diese ganzen Blütendüfte der Bäume und Sträucher mit. Dann liebe ich es unterwegs zu sein. Im Wald ist es noch intensiver, da riecht der Boden, die Pflanzen und die Bäume, da sind die Gerüche vom Wild, das sein Revier markiert und in jeder Ecke steigt einem etwas anderes in die Nase. Frisch geschlagenes Holz hat diesen unverkennbaren, heimeligen Geruch. Kiefern im Wald duften sehr besonders.
Über das Jahr hinweg verändern sich alle diese Gerüche. Und dann kommt der Herbst und plötzlich dieser unverkennbare Herbstgeruch. Im ersten Moment kann man es nur vereinzelt und für eine Millisekunde wahrnehmen. Die Temperaturen verändern sich allmählich und in ein paar Wochen sieht die Umgebung anders aus, Rot- und Brauntöne dominieren dann die Stadt und das Land. In den Parks und im Wald riecht es nach Laub und es ist kühl und frisch, das Würzige des Sommers und das Liebliche des Frühlings haben sich dann verabschiedet.
An eben genau dieser Schwelle stand ich gestern für eine kurze Sekunde auf dem Platz in der Altstadt von Bonn. Das ist das Wunderbare an der Hochsensibilität: wir können sehr intensiv unsere Umwelt wahrnehmen und erleben – manchmal sogar nur mit unserer Nase. Und es macht immer wieder glücklich diese Erfahrungen mit hochsensiblen Freunden teilen zu können.
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