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Flügel entfalten und dich mit deinem hochsensiblen Potenzial aufschwingen

von Lore Sülwald

 Foto von Pixabay von Pexels
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Wird das Leben mit Hochsensibilität einfacher?

 

Neulich wurde ich von meiner lieben Kollegin Jaguar zu einem gemeinsamen Salon über Hochsensibilität eingeladen. In der Vorbereitung sprachen wir ein bisschen über typische Fragen und Themen, die uns in unserer Arbeit begegnen. Eine Frage, die ihr oft begegnet ist, ob das Leben einfacher wird, wenn wir mehr Hochsensibilität in unserem Leben zulassen?

 

Diese Frage hat es wirklich in sich und ist mir interessanterweise so noch nie begegnet. In meiner Arbeit geht es immer darum die Menschen in Kontakt mit ihrer Hochsensibilität zu bringen, Verständnis für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und das Leben danach zu gestalten. Auch mir selbst habe ich diese Frage so nie gestellt, denn allein das Wissen um meine eigene Hochsensibilität, das Wissen um die Existenz dieses Konzeptes oder Persönlichkeitsmerkmals, hat in mir Erkenntnisprozesse in Gang gesetzt, die ich meistens als Bereicherung empfunden habe. 

 

Eine berechtigte Frage

 

Und die Frage ist berechtigt, denn wenn ich meine Hochsensibilität unterdrücke und nicht beachte, sind tatsächlich andere Dinge im Leben möglich. Wir waren uns einig, dass wir unser Leben um unsere Hochsensibilität gestaltet und die Selbstständigkeit deswegen aufgebaut haben. Auch wurde mir in diesem Gespräch sehr deutlich, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, bei denen ich 100% ich selbst sein kann und zwar mit allen Dimensionen, die in meiner inneren und äußeren Wahrnehmung liegen. Diese Menschen sind in Deutschland und der Welt verteilt, mit einigen habe ich nur kurze Begegnungen gehabt oder sehe sie nur alle paar Jahre, alle paar Monate. Menschen, die all das erfassen können was in mir vorgeht und meine Gedanken durch ihre eigenen erweitern, sie sind sehr selten in meinem Leben.

 

Oft nehme ich mich zurück, denn viele Menschen sind verunsichert, irritiert oder auch überfordert, wenn ich all dem Ausdruck verleihe, was in mir vorgeht. Einige Menschen werden gemein, weil sie sich unterlegen oder verärgert fühlen. Sie zeigen dann sehr deutlich ihre Ungeduld, ihren Missmut oder ihre Irritation.

 

Häufig bekomme ich von anderen gespiegelt, dass sie sich sehr sicher und wohl mit mir fühlen und ich so viel Raum geben würde. Ich habe das sehr lange nicht verstanden, bis ich vor ein paar Tagen. Ich saß mit einem Kollegen über einem komplexen Projekt und konnte erfahren, wie er meine Gedanken nicht nur verständnisvoll aufgenommen, sondern auch noch aufgegriffen und weiterentwickelt hat. Gemeinsam haben wir viele Themenbereiche angesprochen und zusammengeführt, es war inspirierend, sehr kreativ, leicht und produktiv.

 

Und am Abend dann hatte ich dieses Gefühl riesige Flügel zu haben, die Raum hatten sich vollkommen auszubreiten und in ihrer ganzen Größe zu zeigen. Mit diesem Bild lag ich da und habe meine Arme ausgestreckt. Ich fragte mich, wieso sie im Alltag nicht auch so groß und Raum nehmend sein dürfen? Als ich in diese Breite und Tiefe hineinspürte, kam Angst in mir auf. Es war diese Angst vor all den abwertenden Kommentaren und missmutigen Blicken.

 Foto von Siegfried Poepperl von Pexels
Foto von Siegfried Poepperl von Pexels

Komplexität kann Angst machen

 

Vielen Menschen macht Komplexität Angst. Deswegen haben populistische Parteien ja auch diese Schlagkraft und ist Propaganda im allgemeinen so erfolgreich. Komplexität kann im ersten Moment zu Verwirrung, Chaos, Orientierungslosigkeit, zu einem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit führen. Gepaart mit Ungeduld, soll das dann schnell wieder weg. Es sollen schnelle einfache Lösungen her und deswegen werden Menschen, die das nicht geben auch nicht so gern geduldet.

 

Es ist nicht immer einfach das volle Potenzial zu leben, denn vorher müssen wir uns Menschen und Strukturen suchen oder sie sogar erschaffen, um eine sichere Plattform für unser Potenzial zu generieren. Von dort können wir dann wirken. Meine Erfahrung ist, dass Menschen häufig nur Menschen auf Augenhöhe dulden, wenn sie kognitiv, statusbedingt, klassen- oder kulturbedingt auf derselben Ebene sind. Andernfalls werden Menschen mit viel Wissen, Potenzial, Denkkapazitäten, Geld, Ressourcen und anderen Talenten geduldet, sobald sie bewundert werden können. Dafür werden sie gern auf ein Podest gestellt. Das hat Goethe wundervoll zusammengefasst:

 

„Man nimmt in der Welt jeden wofür er sich gibt, doch er muss sich für etwas geben.

Man erträgt lieber die Unbequemen, als dass man die Unbedeutenden duldet.“

 

Es ist wichtig, um ernst genommen zu werden und erfolgreich sein zu können, sich selbst in jeder Hinsicht zu positionieren. Oftmals gibt es nur wenige Menschen im Leben, die uns in unserer Ganzheitlichkeit erfassen können. Für mich bedeutet es auch mich zu schützen und mich mit Menschen zu umgeben, die bewusst leben, arbeiten und reflektieren.

  • Menschen, die sich ihre eigenen blinden Flecken ansehen und sich mit ihren Gefühlswelten auseinandersetzen.
  • Menschen, die sich kontinuierlich Wissen aneignen und dieses hinterfragen; die Wissen nicht nur kognitiv erfassen, sondern sich auch in der Erfahrungswelt damit auseinandersetzen und neues Wissen mit altem Wissen und bisherigen Erfahrungen verbinden, um daraus wieder neue Erkenntnisse, Zusammenhänge, Vernetzungen und Ideen zu kreieren.
  • Menschen, die nachhaltig agieren, geduldig sind und langfristig denken und planen.
  • Menschen, die Verantwortung für ihre Gefühle und ihre Taten übernehmen.

Das Prinzip des Lebens ist Ausdehnung und Wachstum. Es ist das Prinzip der Fülle. Wir müssen nur aus dem Fenster sehen: die Natur dehnt sich immer aus, wächst über alle Begrenzungen hinweg. Wenn wir die Beete nicht jäten und die Pflanzen beschneiden, wächst alles über die Begrenzungen hinaus.Wenn Mitmenschen uns wortwörtlich zurechtstutzen, uns abwerten oder beschränken, egal ob als Kind oder als erwachsene Person, dann werden unsere Flügel beschnitten und das tut weh. Und es ist von Grund auf falsch, denn es geht gegen das Prinzip des Lebens. Es nimmt uns unsere Kreativität und unsere Lebendigkeit, unsere Innovationskraft und Visionsfähigkeit.

 

Beschnittene Flügel sind der Grund dafür, dass so viele Menschen nicht wissen wer sie sind, was sie brauchen und wofür sie stehen. Der Grund warum sich so viele Menschen verloren fühlen und abgeschnitten von der Familie und der Gemeinschaft sind. Daher rührt die oft berechtigte Angst sich ganz zu zeigen, so wie ich bin. Sich mit allem was ist sichtbar zu machen und für die eigene Wahrheit einzustehen.

 

Wird das Leben einfacher, wenn ich ganz zu meiner Hochsensibilität stehe? Ich denke jeder von uns muss für sich selbst entscheiden, wie er oder sie leben möchte. Ich denke, dass das Leben aus Herausforderungen und Lernaufgaben besteht. Egal für welchen Weg wir uns entscheiden, die Herausforderungen begegnen uns so oder so. Werden wir stärker, gefestigter und souveräner, werden unsere Herausforderungen größer, die Projekte die wir angehen komplexer und unsere Lernaufgaben wachsen mit uns mit.

 

Meine persönliche Erfahrung ist, dass gegen mein eigenes Wesen zu arbeiten und meine Hochsensibilität zu unterdrücken und sie sogar zu verstecken, mich nicht nur immens viel Kraft gekostet hat. Es hat mich auch deprimiert, ich habe mich ständig fehl am Platz und unverstanden gefühlt und ich habe meine Flügel zusätzlich selbst beschnitten. Meine Hochsensibilität anzunehmen und mit allem was ist in mein Leben zu integrieren, hat unglaublich viel Energie, Kreativität und Tatkraft freigesetzt.

 

Meine Bedürfnisse zu reflektieren ist ein lebenslanger Prozess, wie auch mit meiner Energie gut zu haushalten und für mich zu sorgen. Und je mehr ich das tue und mir selbst erlaube so zu leben wie ich bin, desto einfacher und glücklicher wird mein Leben. Mir begegnen Menschen, Informationen, Tiere, Orte, Pflanzen und Gemeinschaften, die mich unterstützen und in denen ich Geborgenheit und Sicherheit erfahren darf. Ich komme mehr und mehr in die Lage die Plattformen zu gestalten, in denen ich meine Flügel entfalten kann. Mehr und mehr bekomme ich eine Ahnung davon, wie viel Potenzial noch in mir mit meiner Hochsensibilität steckt und wie gewaltig meine Flügel eigentlich sind.

 

Wir sind hier auf der Erde um mit all unserem Sein, mit unserer Einzigartigkeit einen Unterschied zu machen. Die Welt braucht Menschen, die durch ihre Wahrnehmung, verbunden mit ihrem Herzen und der Erde, nachhaltige Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die auch für die nächsten sieben Generationen noch nachhaltig und positiv sind. Entscheidungen, die unsere Erde vor dem Kollaps bewahren, die unsere Gemeinschaft heilen und Kriege und weitere Gewalt verhindern.

 

Jeder Mensch, der zu seiner*ihrer Wahrheit steht, zur eignen Individualität, steht für die Wahrheit in dieser Welt. Wir sind nicht mehr national, wir sind international miteinander verbunden und das zeigt wie wichtig es ist sich der Verbundenheit im Allgemeinen bewusst zu werden. Es zeigt, dass jede Handlung und jede Entscheidung Einfluss auf das Wirken und Werden der Welt (-bevölkerung) hat.

 

Fange jetzt an Deine Flügel anzusehen und sie auszubreiten. Beginne heute die Flügel der Menschen um dich herum zu pflegen und sichtbar zu machen.

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Kommentare: 1
  • #1

    T. (Dienstag, 19 September 2017 09:18)

    Liebe Frau Sülwald,
    vielen Dank für Ihren Text. Ich habe die "Problematik", besser vielleicht die Faszination, der Hochsensibilität gerade erst kennen gelernt und auf Ihrer Internetseite bereits viel darüber erfahren. Das neue Wissen um die Zusammenhänge eröffnet mir neue Perspektiven auf Menschen, die möglicherweise hochsensibel sind. Und so kann ich es wiederum gewinnbringend in meiner täglichen Arbeit anwenden.
    Es ist beeindruckend zu sehen, wie Sie Ihr Leben neu entdecken bzw. entdeckt haben. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft, persönlich und im beruflichen Umfeld!
    Viele Grüße
    T.